Stammbaumforschung betreiben viele Familien. Nicht alle sind aber so ergiebig, wie jene der Kunzes aus Brittnau. Das musste der Dorfhistoriker Benno Meier feststellen.
Die Originalversion dieses Artikels erschien am 13. Juli 2024 im Zofinger Tagblatt.
Für mi sälber mir z′erkläre
Bin i mal mym Stammboum na
Ha vo undre Zweige här e
Chly die Nuss probiert z’verstah
Wie Mani Matter in seiner «Ahneforschig» ist es auch Benno Meier aus Brittnau ergangen. Eines Tages war ihm danach, dem eigenen Stammbaum nachzugehen, herauszufinden, wo er und seine Frau herkommen, wer ihre Familien sind. So begann seine Spurensuche.
Fünf Familien interessierten Benno Meier: Die Meiers, die Buus aus dem Baselbiet, Bergers von Langnau im Emmental und von seiner Frau her die Moosleerber Hunzikers und die Kunzes aus Brittnau. Allen fünfen ging er nach. Keine Familie aber war so ergiebig wie die der Kunzes, die Arbeit an ihrem Stammbaum hat der Genealoge bis heute nicht abgeschlossen.
Es geht immer von Jung nach Alt
Benno Meiers Quellen sind alte Kirchenrodel, Zivilstandsbücher und Dokumente aus dem Staatsarchiv. «Wenn ich jemanden gefunden habe, schreibe ich einfach alles raus, was ich finden kann», sagt er. Gemeint sind Geburtstag, Todestag, Gatten, Kinder, Paten, Wohnort, Beruf sowie Todesursache und alles, was sonst noch überliefert ist.

Ist ein Familienmitglied erfasst, kann Benno Meier von ihm auf das nächste schliessen. Dabei muss er sehr strukturiert vorgehen, um den Überblick nicht zu verlieren. Er arbeitet sich etwa von Jung nach Alt vor: Benno Meier erfasst die Eltern einer Person und überprüft, wann und in welchem Alter diese gestorben sind. Daraus kann er ihr Geburtsjahr ableiten, dort nachschlagen und hat wieder neue Eltern gefunden. So geht das immer weiter, Generation um Generation.
So ging Benno Meier bis auf den ältesten Kunz zurück: Ein Thoma (vielleicht auch ein Thomas) Chuonz ist ab 1528 im frühsten Brittnauer Kirchenbuch erfasst. Vielleicht habe es schon vorher Kunzes gegeben, sagt Benno Meier, aber es seien halt keine älteren Quellen vorhanden.
Ein Stammbaum von ganz besonderer Dimension
Von Thoma Chuonz verbreitete sich die Familie von Mättenwil und der Stampfi über die äussere und innere Rossweid, zum Schürberg, Grod und dann im ganzen Dorf. Unter den Kunzes habe es viele fleissige und angesehene Personen gegeben, sagt Benno Meier, sie stellten Gerichtssässen und Chorrichter. Es tauchten aber auch einfache Leute auf, aus einigen Biografien springe einem die Armut förmlich entgegen.
Den Schicksalen hinter den Namen nahe zu kommen, berührt Benno Meier. Etwa wenn er sieht, wie viele Kinder früher gestorben sind. Oder wie schnell ein Mann wieder heiratete, nachdem seine Frau im Kindbett verstarb. «Das macht mich schon nachdenklich», meint er.

Ins Grübeln kommt er auch, wenn sich Rätsel auftun. «Manche Fälle lassen sich nicht mehr nachvollziehen», sagt Benno Meier. Zum Beispiel suchte er nach einem Jakob Kunz, Sohn eines Stephan Kunz, der Jahrgang 1670 haben sollte. Er fand aber nur einen mit Jahrgang 1672. Welches Datum nun stimmt, lässt sich nicht mehr klären – ihm bleibt nur, möglichst genau zu arbeiten und jeweils seine Quellen anzugeben, damit die Informationen nachvollziehbar bleiben.
Der Baum wächst weiter und weiter
Um seine Recherchen genau zu dokumentieren, tippt Benno Meier die gesammelten Informationen in eine Excel-Tabelle ab. So kann er seinen Datensatz – der gesamte Stammbaum umfasst rund 12’000 Menschen – sortieren und gleichzeitig ein Programm speisen, das ihn grafisch aufbereitet. Damit kann er auch einen Stammbaum zeichnen. Dazu druckt Benno Meier seine Unterlagen auch aus und legt sie in einem dicken Ordner systematisch ab. Sortiert nach Personen, Familienzweig oder Nachkommen.
Welche Dimension das Projekt hat, wird aber erst jenen bewusst, die selbst vor dem Kunz-Stammbaum stehen. Obwohl darauf jede Person nur wenige Zentimeter einnimmt, erstreckt sich die Grafik über acht Meter. Zu bestaunen war der Riesen-Stammbaum letzten Frühling in einer Ausstellung des Dorfmuseums Brittnau. Er sei oft auf ihn angesprochen worden, sagt Benno Meier, die Leute hätten sich gefreut und Fragen gestellt. Vor allem aber bedachten sie Benno Meier mit Hinweisen auf weitere Familienmitglieder. «Es kamen fast 1000 Personen dazu», sagt er, «ich war völlig überrascht.»

Auch aus dem Ausland gingen Reaktionen ein. Die entfernteste erreichte Brittnau aus Amerika. Dort lebt ein Nachfahre von Barbara Kunz, die 1843 in die USA auswanderte. Dieser Familienzweig soll demnächst ergänzt werden. Denn der amerikanische Kunz-Verwandte hat für diesen Sommer angekündigt, Brittnau besuchen und Benno Meier treffen zu wollen.
Dieser freut sich. Mit der Genealogie will er den Leuten weiterhelfen und Fragen beantworten. Dass er nun auf so viel Resonanz stösst, bestärkt ihn. Und so wird Benno Meier den Kunz-Stammbaum, so lange neue Familienmitglieder auftauchen und sich Lücken schliessen, weiter wachsen lassen. Das dürfte wohl noch eine Weile dauern, denn im Moment gilt nach wie vor, was auch Mani Matter besang:
S′chunnt uf ds Mal en Unggle füre
Wo dir nüt heit gwüsst dervo
… S’chunnt uf ds Mal en Unggle füre
Wo dir nüt heit gwüsst dervo…