«Wie Ferien» – Shuttlebus-Fahrer «Hamsti» fährt Tausende ans Heitere-Openair


Bekanntlich sind die Shuttlebusfahrer am Heitere für Spässchen zu haben. Tatsächlich ist das Chauffieren aber eine Kunst – die Martin «Hamsti» Rodel definitiv beherrscht.

Die Originalversion dieses Artikels erschien am 12. August 2024 im Zofinger Tagblatt.

18.55 Uhr: Martin Rodel, oder «Hamsti», wie er gemeinhin bekannt ist, fährt auf dem Heitern vor. Vor 10 Minuten hat seine Schicht begonnen, schon lädt er die erste Ladung leichtbekleideter Open-Air-Besucher mit ihrem Gepäck ab. Bevor es wieder nach Zofingen runter zum Bleiche-Parkplatz geht, steigt der Chauffeur schnell aus und hält mit dem Fahrdienstleiter ein Schwätzchen.

Hamsti kennt sich auf dem Heitern aus. Er ist seit dreissig Jahren dabei: zuerst mit der Feuerwehr, dann für das Sicherheitsteam, seit drei Jahren als Shuttlebus-Chauffeur. Darum wird er hier oben erkannt und von Bekannten angesprochen. «Heitere ist wie Ferien für mich», meint der 57-Jährige. Bus zu fahren, liebt er – erst recht, wenn er damit eine Zofinger Tradition pflegen kann. Ans Heitere zurückzukehren, ist darum jedes Jahr etwas Besonderes für ihn.

Hamsti ist Herzenszofinger. 

Schwierige und angenehme Gäste

19.10 Uhr: Bleiche-Parkplatz. Eine Gruppe angeheiterter Fahrgäste mit gut gefüllten Campari-Bechern will einsteigen. «Nicht mit den Getränken», ruft Hamsti und hebt den Finger. Ungläubige Gesichter blicken ihm entgegen, die Fahrt mit Campari sei noch immer gegangen. Nach kurzer Diskussion erlaubt der Chauffeur dann doch, dass sie einsteigen. Aber nur mit dem hochheiligen Versprechen, nichts zu auszuleeren. «Jetzt habe ich extra Theater gemacht», meint er danach, «die verschütten mir sicher nichts mehr.»

Süsse Getränke im Bus sind Hamsti ein Greuel. 

Openair-Besucher sind besondere Fahrgäste. Meist sind sie gut gelaunt, je mehr sie jedoch trinken, desto heikler wird es: Hemmungen fallen, die Aggression nimmt zu und vielen wird es wortwörtlich speiübel. Die Heitere-Chauffeure müssen darum besonders aufmerksam und geduldig sein. «Ich achte jeweils schon darauf, wer einsteigt», sagt Hamsti. Eskaliert eine Situation, hält er an und spricht die Fahrgäste direkt an. Diese Taktik funktioniere sehr gut.

19.56 Uhr: wieder auf dem Heitern. Zwei junge Mädchen steigen in den Bus. «Ihr wollt also nach Luzern?», fragt Hamsti trocken. «Nein, nach Zofingen», ist die verwirrte Antwort, Hamsti schmunzelt über seinen Witz. Die Leute seien das Beste an seinem Job. Läuft alles gut, schwatzt er mit ihnen und macht Spässchen – im Übrigen auch mit Berühmtheiten: Mit Göla hat er geplaudert, mit Chris von Rohr gewitzelt und Francine Jordi im Bus mitgenommen.  

Konzentration und Nerven erforderlich

20.10 Uhr: Bottensteinerstrasse kurz vor dem Heiternplatz. Auf dem Gelände herrscht Hochbetrieb, Besucher kreuzen die Strasse. Hamsti ist hochkonzentriert. «Da musst du den Kopf zusammenhaben», meint er: Es dämmert, die Stelle ist eng, die Leute sind angetrunken und abgelenkt. An Busunfälle kann sich Hamsti dennoch nicht erinnern.

«Unsere Chauffeure brauchen gute Nerven», meint auch Marco Bachmann. Er ist Standortleiter Zofingen der Limmat Bus AG, die den Transport durchführt. Zu Spitzenzeiten sind 16 Busse gleichzeitig unterwegs. Dafür mietet die Limmat Bus AG über das Wochenende zusätzliche Fahrzeuge und bietet externe Chauffeure auf. So ist auch Hamsti im «wahren Leben» Fahrlehrer für die Armee. Wie viele Leute die Chauffeure so auf den Heitern bringen, lässt sich nur schätzen, es müssen tausende sein.

Während die Gäste feiern, muss Hamsti hochkonzentriert sein. 

22.32 Uhr: Heiternplatz. Schon treten die Ersten den Heimweg an. Sie wollen an den Bahnhof, zum BZZ oder zu ihren Parkplätzen. Hamsti lädt sie ab und fährt dann ins Depot an der Brühlstrasse. Eine Stunde hat er Pause, um Mitternacht beginnt er eine neue Tour. Seine Schicht dauert bis um 6 Uhr morgens. Sich wach zu halten, sei kein Problem, meint Hamsti. Notfalls trinke er einen Espresso. Auf keinen Fall für ihn in Frage kommen dagegen die bei Open-Air-Besuchern so beliebten Energydrinks. «Viel zu süss», meint Hamsti und verzieht beim Gedanken an die klebrigen, zuckrig-riechenden Flecken, die das Getränk jeweils in seinem Bus hinterlässt, das Gesicht.