Die Ringelnatter steht auf der Roten Liste der gefährdeten Arten. Naturschützer versuchen darum, den Bestand der scheuen «Dramaqueen» zu schützen, darunter auch der Natur- und Vogelschutzverein Oftringen.
Die Originalversion dieses Artikels erschien am 20. Oktober 2023 im Zofinger Tagblatt.
Stellen Sie sich vor, Sie hätten keine Beine. Auch keine Arme. Sie sind lang, dünn und glatt. Lautlos und geschmeidig können Sie am Boden durch hohe Schilfrohre schlüpfen. Vor Ihnen taucht ein Frosch auf, den fressen Sie besonders gerne. Plötzlich nähert sich Ihnen eine Menschengruppe. Sie, eine Ringelnatter, sind innert Sekunden verschwunden.
«Ein Amphibienlaichgebiet von nationaler Bedeutung»
Die Ringelnatter ist hierzulande die häufigste Schlangenart und trotzdem bedroht. Ihr Lebensraum wird immer kleiner. Vereine wie der Natur- und Vogelschutzverein Oftringen (NVO), setzen sich darum dafür ein, der Ringelnatter Rückzugsmöglichkeiten zu bieten.
Ein solcher liegt beispielsweise am Looweiher in Oftringen. Die Autorin trifft sich dort mit Urs Meyer, dem Präsidenten des NVO und Susanne Stocker, der Vizepräsidentin, um mehr über die Ringelnatter zu erfahren. Ob die Menschengruppe die Ringelnattern verscheucht hat oder es am kühlen Wetter liegt, Schlangen zeigen sich an diesem Nachmittag keine. Doch sie sind da: «Im Sommer sehe ich sie oft im Teich, es taucht nur der Kopf mit den gelben Flecken zwischen den Seerosen auf», sagt Urs Meyer beim Gang um den Weiher. Und Susanne Stocker pflichtet ihm bei: «Die Ringelnatter ist schüchtern, aber wer ruhig wird und die Natur beobachtet, dem zeigt sie sich.»

Der Looweiher sei Teil eines wichtigen Schutzgebietes, erklärt Susanne Stocker, beim Weitergehen. Oder genauer «ein Amphibienlaichgebiet von nationaler Bedeutung», weil auf dem Gelände so viele Arten leben: Feuersalamander, Geburtshelferkröten, Stockenten oder Stichlinge fühlten sich hier wohl. Und mit ihnen die Ringelnatter.
Die scheue Schönheit am Wasserrand
Im Wiggertal ist die Unterart der Barrenringelnatter, die Natrix helvetica, verbreitet. Sie ist hell- bis dunkelbraun, mit länglichen Flecken an der Seite. Das Kennzeichen der Ringelnattern sind zudem gelbliche Kreise im Nacken. Die Ringelnatter wächst ihr Leben, also bis zu 20 Jahre, lang und erreicht so Grössen bis eineinhalb Meter.

Fürchten muss man sich vor der Schlange dennoch nicht. Die Ringelnatter ist ungiftig und scheu. Menschen geht sie am liebsten aus dem Weg. Wenn sie aber nicht fliehen kann, zeigt sie ihre dramatische Seite: Fühlt sich die Ringelnatter bedroht, verdreht sie sich, wirft sich auf den Rücken, den Kopf in den Nacken gelegt, und lässt ihre Zunge raushängen. Wie tot sieht sie dann aus und wartet, bis die Gefahr vorbeizieht.

Der Mensch zerstückelt Lebensraum
Sie, als Ringelnatter, sind eine ausgezeichnete Schwimmerin. Nachdem Sie vorher aufgeschreckt wurden, verstecken Sie sich im Wasser. Der Frosch, den Sie anvisierten, ist ebenfalls verschwunden. Zur Not könnten Sie auch eine Maus oder Schnecke fressen, viel lieber wäre Ihnen aber ein Wassertier. Eine Kröte, ein Molch oder Fisch. Darum halten Sie sich auch so gerne in Ufernähe auf.
Das Futter ist die Schwachstelle der Ringelnatter. Immer mehr Feuchtgebiete verschwinden oder werden durch Strassen und Siedlungen voneinander abgeschnitten. «Die Bestände sind stark zurückgegangen», sagt Noah Meier, Regionalvertreter für Reptilien im Kanton Aargau, «das liegt daran, dass die Menschen den Lebensraum der Ringelnatter regelrecht zerstückeln.»Die Schlangen bräuchten ein grösseres, zusammenhängendes Gebiet, auf dem sie jagen, sich sonnen, brüten und überwintern können.
Ein solches Gebiet ist der Looweiher. Hier ist das Wasser von Schilf, Bäumen und Hecken umgeben. Um es der Ringelnatter noch bequemer zu machen, hat der NVO Ziegeltürme zum «Sünnele» aufgestellt. Urs Meyer und Susanne Stocker schauen, ob es an den Türmen frische Spuren gibt. Im Sommer jedenfalls würden sich darin regelrechte Schlangennester tummeln, meint Urs Meyer.

Susanne Stocker und Urs Meyer begutachten Spuren an einem der Ziegeltürme.
Die Ringelnatter mit solchen Massnahmen zu unterstützen sei wichtig, sagt Noah Meier, denn «sie ist ein wichtiger Bestandteil unseres Ökosystems. Ohne die Ringelnatter, können sich eingeschleppte Arten schneller verbreiten, während sie z. B. dem Reiher als Nahrung fehlt.»
Schutzgebiete wollen gepflegt werden
Ausser um die konkreten Angebote für Ringelnattern bemüht sich der NVO um die Zukunft des Looweihers im Allgemeinen. Den Teich hat Mitte des 19. Jahrhunderts die Brauerei Loohof ausgehoben, um im Winter daraus Eis zum Kühlen zu schlagen. Weil das Gewässer künstlich angelegt wurde, muss es der NVO regelmässig vor dem «Verlanden» retten. Über das Jahr lagert sich Laub und Schlamm im Weiher ab und droht, ihn aufzuschütten. Auch Schilf breitet sich aus, sodass zwischen den Stängeln kein Platz mehr zum Laichen und Leben bleibt: «Die Amphibien brauchen grössere, freie Wasserflächen, die die Sonne aufwärmen kann», erklärt Urs Meyer.

Regelmässig organisiert der NVO darum Arbeitstage, an denen Freiwillige Schilf wegräumen. Längerfristig müsse der Looweiher aber saniert und die Pflanzen nachhaltig entfernt werden. «Im Moment können wir das Schilf nur in Ufernähe schneiden», erklärt Susanne Stocker, darum müssten Maschinen nachhelfen.
Der NVO hofft, dass die Weihersanierung spätestens 2025 im Gemeindebudget landet, derzeit werden die diesbezüglichen Offerten eingeholt.
Ein Teil des geschnittenen Schilfs lässt der NVO in Haufen liegen. Sie, als Schlange, lieben diese Grünguthaufen. Darin wird es wegen dem Vergären schön warm. Im Sommer ist das für Sie der ideale Platz, um zu brüten und jetzt, wo es kalt wird, zum Überwintern. Für die Zeit, in der Sie nicht Sonnenbaden können, haben sie wenig übrig. Zusammen mit ihren Artgenossen, machen Sie es sich darum unter dem Schilf gemütlich und warten auf den Frühling.