Im Herbst beginnt wieder die Jagdzeit. Das Jagen befände sich stets im Wandel, sagt Heinz Käser, Pächter beim Jagdverein Brittnau. Manches, etwa die Gefühle der Jäger, bleibe über die Jahre auch gleich.
Die Originalversion dieses Artikels erschien am 7. Oktober 2023 im Zofinger Tagblatt.
Heinz Käser, haben Jäger Freude am Töten?
Heinz Käser: Das ist ein gängiges Vorurteil. Beim Jagen geht es nicht in erster Linie um das Töten, es geht mehr darum, Teil der Natur zu sein. Jäger braucht es, weil sich die Natur nicht mehr selbst regulieren kann. Rehe etwa, würden eigentlich nicht im Wald leben, sondern mussten sich dorthin zurück ziehen. Darum muss der Mensch eingreifen und den Bestand kontrollieren, aber auch schauen, dass es den Tieren gut geht. Für die Rehe stellen wir zum Beispiel Salz auf oder versuchen, die Ruhegebiete der Tiere zu schützen.
Trotzdem reagiert nicht jeder freundlich auf Jäger und Jägerinnen.
Ja, das ist klar, das ist wegen dem Töten. Schon früher sagte man: «Die Grünröcke saufen nur und gehen dann im Wald rumballern». Heute hat sich das Bild von der Jagd geändert, unter anderem wegen der Frauen.
Den Frauen?
Heute gibt es viel mehr Frauen, die jagen. Als ich um die Jahrtausendwende mit dem Jagen begann, waren wir praktisch nur Männer. Im vorletzten Jahr waren an der Jagdprüfung ein Drittel der Prüflinge Frauen. Für mich eine Freude.
Frauen haben ein ganz anderes Bild von der Jagd.
Heinz Käser, Pächter beim Jagdverein Brittnau
Und was haben die Frauen mit dem Image der Jagd zu tun?
Frauen haben ein ganz anderes Bild von der Jagd und tragen dieses auch in die Gesellschaft hinaus. Viele von ihnen sagen, dass sie auf die Jagd gehen, weil sie nur Tiere essen wollen, die sie auch selbst getötet haben. Auch viele der männlichen Jungjäger sehen das inzwischen so. Das finde ich gut. Auch ich esse lieber ein Tier, auch eine Kuh, von der ich weiss, wie sie gelebt und gestorben ist.
Dann hat sich in der Zeit, in der Sie jagen, das Bewusstsein über Fleischkonsum und das Töten verändert?
Ja, ganz sicher. Gleichzeitig haben viele die Beziehung zur Natur und das Wissen darum, woher etwas kommt und wie man es nutzt, verloren. Früher trugen wir noch Schultheke mit Rindsfell. Heute muss ich einen schönen Fuchs in die Verbrennung geben, weil sein Fell nicht mehr getragen wird. Verstehen Sie mich nicht falsch, es geht mir nicht darum, Qualzucht zu rechtfertigen. Aber es ist schade, ein gutes, wertvolles Fell, das man brauchen könnte, zu verbrennen.
Es ist Oktober und wir können wie im Sommer vor der Jagdhütte sitzen. Nimmt auch der Klimawandel Einfluss auf das Jagen?
Der Wald hat sich schon verändert. Heute wachsen hier zum Beispiel überall Brombeeren, die es vor 20 Jahren noch nicht hatte. Andere Pflanzen wie die Esche haben es immer schwerer, das wird sicher einen Einfluss auf die Tiere und das Jagen haben. Bei uns könnte zum Beispiel der Rehbestand kleiner werden. Gleichzeitig nehmen andere Arten zu. Vom Rothirsch etwa haben wir extrem Respekt, der kann im Wald, an den Bäumen, enormen Schaden anrichten. In Brittnau hält es sich damit noch in Grenzen, aber diesbezüglich wird es sicher Veränderungen geben.
Zum Beispiel?
Für die Hirschjagd braucht es zum Beispiel andere Munition als für Rehe. Hirsche wandern auch in grösseren Gebieten herum, darum müssen wir uns enger mit anderen Jagdrevieren austauschen. Auch das Technologische verändert sich immer weiter. Die Jagd ist darum bei uns vielfältiger geworden – und interessanter.
Mal abgesehen davon, dass er Schaden anrichtet. Können Sie sich auch über die Rückkehr des Rothirschs freuen?
Der Rothirsch ist ein eindrückliches Tier. Der kann ja 200 Kilogramm schwer werden. Wenn so ein Tier auf einen zukommt, mit diesem riesigen Geweih- das ist schon gewaltig. Da wird man ehrfürchtig. Vor einem schönen Tier muss man einfach Ehrfurcht haben.
Bevor man schiesst, kommt das Zittern.
Heinz Käser, Pächter beim Jagdverein Brittnau
Wie passt diese Ehrfurcht vor dem Tier mit dem Töten zusammen?
Bevor man schiesst, kommt das Zittern. Das ist bei allen Jägern so. Wenn ich hinter einer Tanne stehe und das Reh sehe, das ich erlegen möchte, kommt das Zittern. Das geht durch den ganzen Körper. Das Adrenalin steigt und es kann sein, dass ich dann gar nicht mehr schiessen kann, weil ich zu sehr wackle. Das gehört dazu. Die meisten Jäger in Brittnau sagen: «Wenn ich das nicht mehr habe, dann gehe ich nicht mehr jagen.» Und das geht auch nicht weg. Also wir gehen wirklich nicht im Wald rumballern, Jagen bedeutet Emotionen.
Welche Emotionen sind das?
Der Respekt vor dem Tier, das ich erlege. Wenn ich ein Tier sehe, schaue ich es ganz genau an. Darf ich es überhaupt töten? Und auch wenn ich dürfte, entscheide ich manchmal, es zu lassen. Dann muss die Schussrichtung stimmen, dass das Tier gleich stirbt und auch das Fleisch möglichst ganz bleibt. Darum muss ich warten, bis es richtig steht. Und wenn das Tier liegt, also gestorben ist, dann gibt man ihm den «Letzten Bissen». Das ist der Respekt. Man verweilt dann eine Weile beim Tier und bedankt sich. Oder entschuldigt sich, das mache ich persönlich etwa. Diesen Respekt bringen wir auch dem Nachwuchs bei. Wenn man ein Tier erlegt hat, ist nicht einfach fertig, man verharrt bei dem Tier. Man bleibt dort und schaut es sich an. Und dann trägt man es heim. Auch dabei muss man aufpassen. Das Tier muss immer mit dem Haupt voran aus dem Wald rausgetragen werden. Das alles sind Zeichen des Respekts vor dem Tier und sind für die Jagd sehr wichtig.
Das ist fast ein bisschen andächtig.
Ja, das ist andächtig. Zumindest bei mir. Das Tier, egal ob eine Kuh oder ein Hirsch, hat es verdient, dass man es achtet. Das ist einfach so. Und das sehen die Jäger, die ich kenne, und ich kenne viele, genau so.