Im Raum Zofingen sorgt die Windkraft seit Jahren für Diskussionen. Während die Befürworter enthusiastisch Projekte lancieren, sehen sich die Windkraftgegner bedrängt. Doch wer sitzt, wenn es um die Umsetzung eines Windparks geht, letztlich am längeren Hebel: Befürworter oder Gegner?
Dies ist die überarbeitete Version eines Artikels, der am 6. März. 2024 im Zofinger Tagblatt erschienen ist.
Der Dorfkern von Wiliberg, der kleinsten Gemeinde im Kanton Aargau, liegt idyllisch auf einem Hügelkamm. Der Ort ist ländlich und ruhig, von Feldern, Wäldern und Tälern umgeben. Mit der Idylle von Wiliberg soll es aber bald vorbei sein. Eine Visualisierung der Interessensgemeinschaft Lebensqualität Oberes Suhrental (IG LOS) (siehe oben) zeigt: Wenn der im benachbarten Wikon geplante Windpark tatsächlich gebaut wird, ragen demnächst riesige, weisse Turbinen über dem Örtchen auf.
In der Region Zofingen, besonders entlang der Kantonsgrenze zu Luzern, ist Windenergie seit Jahren ein Thema. Fünf Windpark-Projekte wurden bereits lanciert, von denen heute noch drei aktuell sind. Die Lager zeigen sich in Sache Windenergie dabei tief gespalten: Die Befürworter sehen die Windenergie als wichtigen Beitrag zu Stromversorgung und Nachhaltigkeit. Mit konkreten Projekten wollen sie Tatsachen schaffen: «Uns reicht es nicht zu sagen: ‘Man sollte’, ‘Sie sollten’ oder ‘Man hätte gesollt’», steht etwa auf der Website eines geplanten Windparks.
Die Windkraftgegner fühlen sich dagegen bedrängt und jeweils vor vollendete Tatsachen gestellt. Sie glauben nicht an Windkraft oder fürchten durch sie negative Konsequenzen. Daher machen sie gegen die Projekte mobil.
Windkraft-Offensive und -Defensive liefern sich so in der Region einen Machtkampf und es stellt sich die Frage, wer am Ende am längeren Hebel sitzt: Werden sich die Windkraftbefürworter durchsetzen und im Raum Zofingen mehrere Windparks realisieren? Oder können die Windkraftgegner diese Projekte verhindern, so dass alles beim Alten bleibt?
Um diese Projekte geht es
Stand heute drehen sich die Diskussionen um folgende fünf Windpark-Projekte: 2014 gab die CKW bekannt, in Triengen und Kirchleerau ein Windpark zu planen. Vorgesehen waren zuletzt 4 Windräder von rund 150 Metern Gesamthöhe, die Strom für 2’800 Haushalte* produzieren sollten. Die CKW stoppte das Projekt jedoch, weil die Trienger Gemeindeversammlung 2016 beschloss, dass der Mindestabstand von Windanlagen zu Wohnliegenschaften mindestens 700 Meter betragen soll.
Auf der anderen Seite des Suhrentals war zur gleichen Zeit ein weiterer Windpark vorgesehen. Das Projekt «Windrad Uf em Chalt» sah vor, auf Reitnauer und Staffelbacher Boden 3 Turbinen aufzustellen. Das 2009 lancierte Projekt pausiert seit 2017, weil das wirtschaftliche Risiko gemäss Nik Walther, einem der Initianten, ohne Investoren oder Subventionen zu gross sei.
Drei weitere Projekte sind derzeit am Entstehen. Die Windenergie Schweiz AG (WES) plant einen Windpark im Luzernischen Wikon und auf der Aeberdingerhöchi zwischen Pfaffnau und Reiden je 4 bis 5 Windräder. Im gleichen Gebiet will auch die CKW Windräder aufstellen. Zu allen drei Projekten führen die Initianten derzeit Messungen und Planungsarbeiten durch, etwa um die Windstärke oder Umweltverträglichkeit zu ermitteln.

Darum geben die Windparks zu Reden
Gleichzeitig mit den ersten Projekten tauchten in der Region Zofingen Windkraftgegner auf. Darunter befanden sich Privatpersonen, die sich aus politischen Gründen oder weil sie direkt von ihnen betroffen gewesen wären, gegen die Windparks aussprachen. Vor rund zehn Jahren formierte sich die IG LOS, die heute aus rund 100 Mitgliedern besteht. Ein weiterer Verein namens Pro Kulmerauer Allmend löste sich gemäss seiner Website Ende 2021 auf, weil er sein Ziel, den Windpark in Kirchleerau/Triengen zu verhindern, erreichte.
Die Windpark-Gegner führen verschiedene Argumente ins Feld, die von der Wirtschaftlichkeit über die Umweltverträglichkeit der Projekte bis zum Landschaftsschutz reichen. «Windräder führen zu Lärm- und Schallimmissionen und erzeugen einen irritierenden Schattenwurf», sagt etwa Peter Stebler, Präsident der IG LOS. Ausserdem würden Windräder Tiere, besonders Vögel und Fledermäuse gefährden. Als ein weiterer Kritikpunkt stellt die IG LOS die Rentabilität der Windenergie-Projekte in der Region in Frage: «Im Mittelland weht zu wenig konstanter Wind, damit Windenergie ohne massive Subventionen rentabel betrieben werden kann,», sagt Peter Stebler.
Auf diese und weitere Bedenken antworten die Initiatoren der aktuellen Windenergieprojekte, WES und CKW, mit verschiedenen Argumenten. Zu den Immissionen etwa würden Studien durchgeführt, die anschliessend auch die kantonalen Behörden prüfen. Für den Umgang mit Wildtieren gäbe es mehrere Möglichkeiten, so könnten sie bspw. während den Flugzeiten von Vögeln oder Fledermäusen die Windräder anhalten. Solche Abschaltungen seien wiederum in der Leistungsrechnung berücksichtigt, sagt etwa Franco Castelanelli, Projektleiter neue Energien der CKW.
Bezüglich der Rentabilität und möglicher Leistung der Projekte werden derzeit Windmessungen durchgeführt, um zu prüfen, ob das heute angenommene Windpotential auch wirklich zutrifft.

Sind die Gemeinden den Windparks ausgeliefert?
Über eine weitere Eigenschaft von Windparks lässt sich nicht diskutieren – ihre Optik. Wie oben erwähnt, wäre etwa Wiliberg optisch stark vom Projekt in Wikon betroffen, die Windräder würden der Gemeinde quasi vor die Nase gesetzt. Eine Tatsache, die bei der IG LOS für weiteren Unmut sorgt. «Ein Windrad im nahen Panorama kann den Wert einer Immobilie schmälern», sagt Peter Stebler. Es gäbe darum Wiliberger, die sich um ihre Grundstücke und die Attraktivität der Gemeinde sorgen.

Obwohl Wiliberg also direkt betroffen wäre, hat es grundsätzlich keinen Einfluss auf das Projekt. Dass das erwünscht wäre, zeigte sich letzten Herbst: Um sich ein Bild von der Stimmungslage zu machen, führte die Gemeinde im Oktober im Dorf einen Informationsanlass und eine Meinungsumfrage durch. Diese fiel eindeutig aus: Von 51 Personen sprachen sich nur 6 für, die restlichen 45 gegen Windkraft aus. Der Gemeinderat nehme dieses Ergebnis zur Kenntnis und versuche, die Interessen der Bevölkerung zu wahren, sagt Gemeindeammann Patric Jakob dazu. Die Zeitfenster und Möglichkeiten, um Einfluss auf das Projekt zu nehmen, seien für die Gemeinde jedoch begrenzt. Werden die Anwohner und Gemeinden von den Windparkprojekten also jeweils überrumpelt, wie es die Windkraftgegner nahelegen? Sind sie ihnen gar hilflos ausgeliefert?
Das sagen die Gemeinden zur Windkraft
Dieses Bild können die betreffenden Gemeindeammänner nicht bestätigen. Kirchleerau etwa, wäre vom Projekt der CKW stark betroffen gewesen. Gemeindeammann Erich Hunziker hat das nicht als problematisch empfunden, viel Gegenwind habe es im Dorf nicht gegeben: «Die Leute hatten die Möglichkeit, beim Projekt mitzureden, die CKW hat die Gemeinde früh miteinbezogen.» Auch in Staffelbach schlugen die Windräder Uf em Chalt keine grösseren Wellen: «Der Gemeinderat hatte ausser im Rahmen des Richtplaneintrages nicht viele Berührungspunkte mit dem Projekt», sagt Gemeindeammann Max Hauri. Emotionaler erlebte Frau Gemeindeamman Katrin Burgherr die Gespräche um das Projekt in Reitnau, letztlich wären die relevanten Entscheidungen dann aber bei den Ortsbürgern als Landbesitzer gelegen.
In Wiliberg wird der Gemeinderat die richtigen Zeitpunkte abwarten, um sich zum Wikoner Windparkprojekt einzubringen. An und für sich sei das Thema Windkraft ja auch interessant, meint Patric Jakob, wichtig wäre ihm aber, dass nicht nur die Grundeigentümer für ihr Land entschädigt würden, sondern allenfalls auch an die weiteren Anwohner, die stark von den Windrädern betroffen wären.

Auf ihre Zusammenarbeit mit den Gemeinden angesprochen meinen beide, CKW und WES, dass es ihnen wichtig sei, diese in die Planung miteinzubeziehen und transparent zu informieren. Dies etwa in Form von Infoveranstaltungen oder online. Der enge Austausch gelte besonders für die Landeigentümer, die Standort- und Nachbargemeinden – auch über die Kantonsgrenze hinweg, sagt Martina Nigg, Projektleiterin der WES. Dadurch, dass WES mit Bürgerwindparks arbeite, würde ausserdem der Grossteil des Kapitals und der Betrieb vor Ort liegen, was den Gemeinden ebenfalls Autonomie gewähre.
Fazit: Wer hat den längeren Schnauf?
Die Initiatoren der Windparks stellen und stellten Gemeinden und Anwohner also jeweils nicht vor vollendete Tatsachen. Diesbezüglich ist die Sicht der Windkraftgegner falsch. Zudem zeigt der Fall Kirchleerau, dass auch kommunale Politik Projekte verhindern kann. Den Windkraftgegnern und Betroffenen bleibt also Handlungsspielraum.
In Anbetracht der breiten Akzeptanz, die die Windenergie bei den Kantonen, in der Gesellschaft und der nationalen Politik geniesst, wird sich das Thema in der Region allerdings längerfristig halten und vermutlich noch weitere Initiatoren zu weiteren Projekten inspirieren. So gesehen sind sich Windkraft-Offensive und -Defensive in der Region Zofingen derzeit ebenbürtig, so dass abzuwarten bleibt, wem zuerst die Luft ausgeht.
*Für diesen Beitrag wird mit 4-Personen Haushalten mit einer jährlichen Bezugsmenge von 4’500 kWh gerechnet.