«Ke Buure, Ke Ässe, Ke Zuekonft» – Roman Hodel ist Mittelpunkt der Zentralschweizer Bauernproteste


Im Luzerner Eschenbach fand am Montagabend eine weitere Protestaktion der Zentralschweizer Bauern statt. Wichtige Figur hinter der Bewegung ist der Dagmerseller Jungbauer Roman Hodel.

Die Originalversion dieses Artikels erschien am 26. März 2024 im Zofinger Tagblatt.

Roman Hodel hätte sich am liebsten mit einer Kuh fotografieren lassen. Etwas verlegen steht der Jungbauer nun aber allein auf seinem Hof und Fokus der Kamera – auf dem Bild soll nur er zu sehen sein. «Das ist schon komisch», meint er, «dass sich jetzt alles um mich dreht, das ist ja plötzlich schnell gegangen.»

Schnell ist es wirklich gegangen. Vor gut zwei Monaten hat Roman Hodel, 33 und aus Dagmersellen, einen Whatsapp-Chat eröffnet. Damit wollte er die Landwirte aus der Region erreichen, um sich mit ihnen den Bauernprotesten anzuschliessen. Sofort wuchs der Chat auf 1000 Personen an, schon kam es zu ersten Aktionen und Politiker, dicht gefolgt von Journalisten, meldeten sich, um sich mit Roman Hodel auszutauschen. Nun klingelt ständig sein Handy. Alle wollen etwas von ihm. Und das nur, weil er halt der Administrator, der Ersteller, der Chats war und darum jeder seine Telefonnummer hat.

Gemüse-, Milch- und Fleischbauern

Die Chats verselbständigen sich immerhin langsam. Anfangs kommunizierte Roman Hodel über eine zentrale Gruppe. Aus dieser sind heute allein in der Deutschschweiz 15 regionale Chats à über 10’000 Personen und jeweils eigenen Administratoren geworden. Über sie laufen Informationen, aber auch die Verbindungswege in andere Landesteile. Roman Hodel tauscht sich über die Sozialen Medien etwa mit Landwirten aus der Romandie oder dem Baselbiet aus. Gegenseitig koordinieren und unterstützen sie sich und fahren auch mal quer durch die Schweiz, um am Protest des anderen teilzunehmen.

Weil das Organisieren ist auch anstrengend ist, findet es Roman Hodel gut, dass die Chats sich nun selbst verwalten. Als Administrator muss er immer überlegt schreiben, «ein falsches Wort und das Ganze geht in die Luft», sagt er. Die Stimmung ist eben emotional, die Frustration teils gross. Ausserdem gibt es auch innerhalb der Community Spannungen: Biobauern, Bergbauern, Gemüse- oder Milchbauern – so vielfältig wie die Landwirte selbst sind auch ihre Anliegen und die Vorstellungen davon, wie diese zu erreichen sind. Einig sind sich aber alle darin, dass es nun einen Bauernprotest braucht, «weil so geht es nicht weiter».   

Bauernprotestler mit ihren Traktoren auf der Durchreise in Oftringen im März. Bild: S. Jäger

Die Bauerproteste haben die Schweiz diesen Winter erreicht. Zunächst zeigten die Landwirte mit umgedrehten Ortsschildern und aufgehängten Gummistiefeln ihre Solidarität mit den Protesten im Ausland und ihren eigenen Unmut. Darauf folgten eigene Aktionen, bei denen ihnen vorwiegend Traktoren als Ausdrucksmittel dienten. Die Forderungen der Bauern waren und sind dabei bessere Preise für ihre Produkte, einen Abbau der Bürokratie und eine nachhaltige Agrarpolitik. «Egal wie – die Politik soll entscheiden, was sie eigentlich will», sagt Roman Hodel. Heute gäbe es in der Agrarpolitik zu viele Widersprüche, «gerade wir Viehbauern bräuchten aber Planungssicherheit».

Roman Hodel betreibt in Dagmersellen mit seinem Bruder einen Viehbetrieb und produziert Milch und Fleisch. Dort lebt er auch mit seiner Frau Melanie und den zwei gemeinsamen Kindern. Der Hof ist sauber, die Kühe munter, neben der Auffahrt steht ein Anhänger, auf den Roman Hodel «Ke Buure, Ke Ässe, Ke Zuekonft» geschrieben hat. Seinem Betrieb geht es heute gut, sagt er, «damit das aber so bleibt, müssen wir jetzt ein Zeichen setzen».

Anhänger von Roman Hodel auf seinem Hof in Dagmersellen.

Sympathisch sein und winken

Ein paar Tage später in Solothurn. Bauern haben sich an einem Freitagabend auf dem Kreuzackerplatz versammelt. Sie haben Glocken und Fackeln dabei, um mit einem Umzug auf sich aufmerksam zu machen. Roman Hodel ist mit seiner Familie angereist. Während die Menge wartet, schüttelt er Hände und beantwortet Fragen von Journalisten. «Du bist jetzt also dieser Roman». Ein Landwirt aus dem Kanton Bern hat schon von ihm gelesen. «So einen bräuchten wir im Bernischen auch», meint er, «ein Junger, der Vorne mitzieht.»

Roman Hodel spricht in Solothurn mit Journalisten.

Zufrieden mit Roman Hodel ist auch Martin Rufer, Direktor der Schweizer Bauernverbands. Er ist dem Dagmerseller schon beim Politisieren begegnet: Roman Hodel, der sich spontan den Protesten anschloss, weil er vorher noch nie politisch aktiv war, sass in den letzten Wochen als Vertreter der Jungbauern mit Guy Parmelin an einem Tisch oder war vor Ort, als die Branche den Richtpreis für Milch auf das kommende Halbjahr um 3 Rappen erhöhte. Dagegen hat der Bauernverband nichts einzuwenden. «Wir freuen uns, dass die jungen Bauern so konstruktiv und sympathisch auftreten», sagt Martin Rufer in Solothurn, «das hilft uns, unsere Anliegen besser durchzusetzen».

Sympathie ist am Solothurner Glockenumzug überhaupt zentral: «Denkt daran, ganz fein zu glöckeln», sagt Organisator Markus Dietschi zu Beginn, «winkt und lächelt die Leute an, das sind ja unsere Kunden.» Dann setzt sich der Umzug in Bewegung. Und obwohl die Glocken eher schmettern als glöckeln, reagieren die Passanten tatsächlich erfreut und lächeln zurück.  

«Das ist das schlimmste Gefühl»

Vielleicht haben die Bauern mit diesem Lächeln ihr Ziel bereits erreicht. Die Proteste haben viel mit Wertschätzung zu tun, sagte Roman Hodel schon am Küchentisch in Dagmersellen. Als Bauer fühlt er sich oft unsichtbar oder schlimmer noch – wie eine Putzfrau in einem Luxushotel: «sie macht den wichtigsten Job und trotzdem blicken alle auf sie herab». Es fehle das Verständnis für Schweizer Lebensmittel, zu viele – Grossverteiler, Gastronomen und Konsumenten – bevorzugen ausländische Ware. «Das ist das schlimmste Gefühl», sagt Roman Hodel, «das Gefühl, dass einem keiner mehr braucht.»

Roman Hodel und die Landwirte in seinem Umfeld sehen die Bauernproteste darum als Gesprächsangebot. Die Menschen sollen mit den Landwirten reden und umgekehrt, damit sich am Ende wieder alle verstehen. Die Aufmerksamkeit, die sie heute erreichten, ist dabei ein guter Anfang, findet Roman Hodel: «Ich hoffe wirklich, dass nun etwas passiert», sagt er, «wenn nicht, weiss ich nicht, wo das endet». In diesem Nebensatz schwingt auch eine Spur Provokation mit.

Längerfristig gibt es für die Bauernproteste keine bestimmten Pläne. Am Montagabend fand die vorerst letzte Zentralschweizer Kundgebung in Eschenbach statt. Danach ist mit den Protesten vorerst Schluss – der Winter ist vorbei, der Frühling kommt und mit ihm die Arbeit. Die Bauern kehren auf ihre Felder zurück, Roman Hodel in den Stall.