Alles Gute hat mal ein Ende – auch Namen. So sind Hans Häfliger-Häfeli und seine Cousine Marieanna Häfliger die letzten «Zollers» aus Reitnau.
Die Originalversion dieses Artikels erschien am 19. Juli 2024 im Zofinger Tagblatt.
Eigentlich standen die Chancen gut. Samuel und Maria Anna Häfliger-Aerni heirateten 1885 und hatten gemeinsam 17 Kinder. Zwölf von ihnen erreichten das Erwachsenenalter. Damit schien der Stamm der Familie Häfliger aus Reitnau – mit dem Übernamen – «S’Zollers», gesichert. Heute jedoch müssen ihre Enkelkinder Hans und Marieanna Häfliger feststellen, dass sie die letzten Zollers sein werden.
Und das kam so. Samuel und Maria Anna bauten bei der Kirche in Reitnau ein Haus. Sie hatten einen kleinen Bauernbetrieb und webten in ihrem Keller. Samuel brachte die Ware jeweils zu Fuss nach Zofingen zum Verkauf – und die Kinder halfen fleissig mit. Weil es in Reitnau noch andere Häfliger gab, trug die Familie von Samuel und Maria Anna den Übernamen Zoller.
Die Bezeichnung stammt laut mündlicher Überlieferung von einem Vorfahren, der an der Kantonsgrenze zu Winikon LU Zöllner gewesen sein soll.
Zoller – ein «rein Reitnauerisches Ding»
Als die Kinder von Samuel und Anna Maria erwachsen waren, bekamen vier ihrer Söhne – Otto, Hans, Ernst und Jakob – sowie Tochter Hulda selbst Kinder. Auch diese Generation war so – mit 11 Enkeln und Enkelinnen – gut aufgestellt.

Weil die Häfliger-Söhne jedoch ihre Familien im Wynen- und Wiggertal und nicht mehr in Reitnau gründeten, fielen ihre Nachkommen als Zollers weg. Denn ausserhalb Reitnaus ist dieser Übername nicht bekannt. «Das ist ein rein Reitnauerisches Ding», meint Hans Häfliger dazu. Er weiss das aus eigener Erfahrung: Er wuchs zeitweise in Brittnau und im Ruedertal auf. Erst als er wieder nach Reitnau zurückkehrte, war er wieder der Zoller-Hans.
Die Tochter Hulda dagegen blieb in Reitnau und heiratete einen Jakob Häfliger aus einer anderen Familie. Ihre Tochter Marieanna Häfliger lebte einige Jahre im Ausland und kehrte darauf nach Reitnau zurück – und ist dort als Chalet-Marieanna bekannt.
Mit ihrer Rückkehr erhielten die beiden Cousins den Zoller-Namen für eine weitere Generation. Nun, mit 89 und 84 Jahren, müssen sie konstatieren, dass sie die letzten sind, die diesen Übernamen tragen. Denn Marieanna Häfliger hat keine Kinder, und Hans Häfligers Nachkommen wohnen alle nicht in Reitnau.
Namen kommen und gehen
Damit zeigen die Zoller-Häfliger beispielhaft, warum Familiennamen verschwinden. «Dass Namen kommen und gehen ist selbstverständlich», sagt Dr. Simone Berchtold, Namensforscherin an der Universität Bern. Dies könne einerseits einfach daran liegen, dass Nachkommen fehlen. Andererseits können Namen auch verschwinden, wenn sich die Gesellschaft verändert: «Wenn sich die Namenslandschaft bewegt, dann ist dies meist eine Folge gesellschaftlicher Entwicklungen.»
Dass Familien-Übernamen verschwinden, lasse sich an verschiedenen Orten der Schweiz beobachten. Simone Berchtold führt dies darauf zurück, dass sich die Dorfgemeinschaft verändert: «Die Übernamen bildeten sich, weil die Dorfgemeinschaften sehr eng waren und wenig Migration stattfand», sagt sie, «Heute gibt es mehr Zu- und Abwanderung, die Namen werden diverser.» Deshalb seien die Übernamen gar nicht mehr nötig.
Das mutmassliche Ende der Zollers stimmt Hans und Marieanna Häfliger nachdenklich. «Ich war schon als Kind stolz auf meine grosse Verwandtschaft», erzählt Marieanna Häfliger, «es ist schon schade, dass dies nun aufhört».
Und auch Hans Häfliger meint: «Wenn ich auf die ganze Familiengeschichte zurückblicke, werde ich ein bisschen wehmütig.»
Menschen hängen an ihren (Über)namen
Dass Menschen an ihrem Namen hängen, ist für Simone Berchtold nachvollziehbar: «Wir sind ein Leben lang mit unseren Namen konfrontiert, sie werden zum wichtigen Teil der Identität.» Dass man seinen Namen erhalten möchte, sei daher nur verständlich.
Das Haus von Samuel und Maria Anna haben die Häfligers verkauft. Hans Häfliger lebt mit seiner Frau – sie heisst übrigens Marianne – noch auf Familienboden. Was mit ihrem Haus dereinst passiert, sei noch offen. Bis dahin geniessen die drei Zollers einfach ihr Reitnauer Erbe: «Es geht uns sehr gut hier», sagt das Ehepaar Häfliger. Und Marieanna Häfliger pflichtet bei: «Meiner Heimat und meiner Familie bin ich einfach dankbar.»