Armeetiercamp in Zofingen: «Pferde rücken ein wie andere Rekruten» 


Was passiert, wenn Tiere campen gehen? Und das nicht zum Spass, sondern zum Zweck der Landesverteidigung? Das ist derzeit in Zofingen zu erleben.

Die Originalversion dieses Artikels erschien am 24. August 2024 im Zofinger Tagblatt.

Enrico frisst gemütlich Heu. Neben ihm hofft Casanova darauf, dass ihm jemand die Rüeblistücke, die ausser seiner Reichweite am Boden liegen, zusteckt. Einige Meter von den Pferden entfernt steht die leere Hundebox von Oslow. Er ist mit seinem Herrchen unterwegs.

Wer bei dieser Szene an einen Bauernhof oder Reitstall denkt, liegt falsch. Denn die Tiere stehen nicht etwa unter einem Dach, sondern sind in einem grossen Zelt untergebracht. Unter ihren Hufen liegen grobe Planken, umgeben sind sie von Metallstreben und kakifarbenen Plachen. Das ist das Camp der Veterinär- und Armeetiere-Abteilung 13 des Schweizer Militärs.

Ein Soldat tränkt die Pferde.

Vom 2. bis 4. September findet eine grosse Verbandsübung des Infanterie-Bataillons 97 statt. An der Übung werden sich – neben den Kompanien – ausnahmsweise die Diensthunde und Pferde der Armee beteiligen. Darauf werden die Tiere nun seit rund zwei Wochen in Zofingen in einem Armeetiercamp vorbereitet.

Tiere sind auch nur Soldaten

«Pferde rücken ein wie andere Rekruten», sagt Charlotte Hiltebrand. Die 31-Jährige ist Patrouillenreiterin und führt durch das Zofinger Stallzelt. Hie und da bleibt sie stehen und ruft einem der Pferde etwas zu. Nachdem sie in Zofingen stationiert wurde, half sie auf dem Areal des Swissfire Centers ein rund 13 mal 8 Meter grosses Stallzelt zu errichten. Daneben stellten die Soldaten und Soldatinnen ein kleineres für rund ein Dutzend Schäferhunde auf. Schliesslich kamen die acht Freiberger-Pferde in Zofingen an und wurden untergebracht. Die Hundeführer und -führerinnen reisten mit ihren Tieren selbst an.

Das Stallzelt steht nur drei Wochen.

Während die Militärhunde unter dem Jahr bei ihren Herrchen und Frauchen leben, sind Militärpferde meist auf Höfen untergebracht. Sie werden wie menschliche Soldaten jährlich aufgeboten, um ihren Dienst zu leisten. Dann werden sie weiter ausgebildet oder helfen etwa beim Transport oder dem Sichten von Gelände mit.   

Mensch und Tier müssen zum Team verschmelzen

Für so heikle Einsätze müssen Ross und Reiter fein aufeinander abgestimmt sein. Darum ist die erste wichtige Aufgabe ihres Wehrdienstes, passende Reitpaare zu bilden. «Mensch und Tier müssen vom Charakter her einigermassen zusammenpassen», erklärt Charlotte Hiltebrand. «Sie müssen zu einem Team werden».»

Sind die Paare gebildet, müssen sie sich aufeinander einspielen. Dafür sind Soldaten und Pferde auch in Zofingen jeden Tag unterwegs. An jenem Morgen etwa war die Reitpatrouille im Wald bei Strengelbach, um im Gelände zu üben. Wieder im Camp sattelten Reiter und Reiterinnen die Pferde ab, fütterten, tränkten und pflegten sie. Jeden Kratzer haben sie überprüft. Ihr Tier soll alles geben können und perfekt auf die grosse Verbandsübung vorbereitet sein.

Ross und Reiter müssen für den Einsatz eine Einheit sein. 

So gut umhegt, stehen die Militärpferde nun im Zelt. In einer Reihe aufgestellt fressen sie zufrieden – von den Menschen um sich herum lassen sie sich nicht aus der Ruhe bringen. Einige schnuppern neugierig in deren Richtung. «Das ist typisch», meint Charlotte Hiltebrand. Die Schweizer Armee arbeitet traditionell mit der Freiberger-Rasse. Das sind kleinere, braune Pferde, die sehr robust sind. «Wie kleine Panzer», meint Charlotte Hiltebrand. Dazu kommt der gute Charakter der Freiberger: Sie sind ausgeglichen, klug und genügsam. Das macht sie für Soldaten zum perfekten Partner.

Militärdienst mit Tieren – das ist etwas Besonderes

Für Charlotte Hiltebrand ist es darum etwas Besonders, bei der Reitpatrouille zu sein. Die Zürcherunterländerin ist von klein auf geritten. Gleichzeitig war für sie klar, dass sie Militärdienst leisten will. «Dass ich während meines Dienstes nun mit Pferden arbeiten darf, ist schon ein Privileg», meint sie, fügt aber an: «Es ist trotzdem kein Reitlager, sondern immer noch das Militär.»

Charlotte Hiltebrand schätzt die Arbeit mit den Tieren. 

Während sich die Pferde nach der Waldübung ausruhen, sind ihre Campnachbarn, die Hunde, noch unterwegs. Sie üben an diesem Tag mit der Infanterie. Dort können sie etwa bei Zutrittskontrollen helfen, also mitkontrollieren, wer einen bestimmten Bereich betreten darf oder nicht.

Einer der in Zofingen stationierten Hunde ist Oslow. Der sechsjährige Belgische Schäferhund ist mit seinem Herrchen, Wachtmeister Cyrill Rutz, aus St. Gallen angereist. Sie haben wie die Reitpatrouille in den letzten Tagen trainiert, denn auch Mensch und Hund sollen zum perfekten Team werden. Dann können sie etwa Gebäude durchsuchen, Gelände kontrollieren oder Personen finden. Bis jetzt sei das Training gut verlaufen, meint Cyrill Rutz: «Oslow gefällt es hier und wir haben beide Freude daran, zusammen zu arbeiten.» 

Wachtmeister Cyrill Rutz mit Oslow. Bild: zvg

Nicht nur Oslow, auch die Reitpatrouille fühlt sich in Zofingen wohl. Die Leute würden winken, wenn sie vorbeireiten, sagt Charlotte Hiltebrand. Für die tierischen und menschlichen Soldaten können die Vorbereitungen auf die grosse Verbandsübung so unter besten Bedingungen voranschreiten.